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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

leiser, melodischer[WS 1] Stimme, und dieß Wort bedeutet Mädchen. Jetzt war mein indianischer Sprachvorrath erschöpft. Ich verlangte durch Zeichen die Suppe kosten zu dürfen, welche sie und das Kind aßen. Sie gab mir bereitwillig ihre Schale und ihren Löffel. Es war eine Art Wassersuppe mit kleinen Bohnen darin, ohne Salz und ohne den geringsten Geschmack, soviel ich entdecken konnte. Später bot sie mir einen frischgebackenen Kuchen an, der ganz schmackhaft aussah. Er war, glaube ich, von Waizen und ebenfalls ungesalzen, im Uebrigen aber recht gut.

Der Dolmetscher war ausgegangen. Gouverneur Ramsay hatte sich ebenfalls gesetzt. Die Männer feilten an ihren Pfeifen, das Feuer flammte und flackerte munter, der Kessel kochte, die Weiber aßen und sahen mich an, indem sie beim Schein des Feuers halb lagen oder nachläßig dasaßen. Und ich — sah sie ebenfalls an. Mit innerlicher Verwunderung betrachtete ich diese Geschöpfe, die Weiber waren wie ich, und mit weiblichen Gefühlen ausgestattet, dennoch aber so verschieden von mir in Beziehung auf Lebenszweck, auf tägliches Leben und ihre ganze Welt.

Ich dachte an ein steifes, trübes, häusliches Leben in der civilisirten Welt, an ein Haus ohne Liebe, eingeengt in die Schranken einer todtgeborenen Meinung, mit Gesellschaftspflichten, Pflichten für die Töchter, im Haus den Männern zu gefallen oder nie aus dem Haus zu kommen, und im Uebrigen jede Aussicht auf Selbstständigkeit, Freiheit, Thätigkeit und Freude versperrt von unsichtbaren Mauern, noch mehr versperrt als hier das Tepee von Büffelhäuten, an ein nordisches Familienleben, wie es ihrer noch in vielen nordischen Häusern gibt; und da dachte ich, das indianische Zelt und das indianische Leben sei noch besser, noch seliger als manches nordische Leben. Da dachte ich auch an New-Yorks und Bostons gasbeglänzte Salons, an die Hitze,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. schwedisch „melodisk“; Vorlage: melancholischer
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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/350&oldid=- (Version vom 14.2.2021)