Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band.djvu/406

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

Den 7. November. 

Sobald ich nach St. Louis kam, mußte ich mich mit einer Migräne niederlegen. Mein allerliebstes Mädchen aus Neuengland verpflegte mich, wie eine jüngere Schwester hätte thun können. Als sie mit ihrem Vater mich verlassen mußte um weiter zu reisen, bekam ich auch hier eine irländische Magd, die mich während der kurzen Krankheit vortrefflich besorgte. Ich wurde bald wieder munter und erhob mich dann, um dem Brautpaar, das hier in dem Hotel wohnt, einen Besuch abzustatten. Es war Vormittags. Aber das Zimmer, wo die Braut sich befand, war düster und nur schwach vom Feuerschein beleuchtet. Die Braut war hoch gewachsen und fein gebildet, aber zu mager; im Uebrigen schön und von blühender Farbe. Sie war noch ganz jung und erschien mir wie eine seltene Treibhauspflanze, die noch nicht im Stande war die Winde der freien Luft zu ertragen. Die langen schmalen Finger spielten mit kostbaren Kleinigkeiten, die an einer goldenen Kette hingen, welche vom Hals bis zur Mitte des Leibes herabreichte. Ihre Kleidung war kostbar und geschmackvoll. Sie sah mehr wie ein Luxusartikel als wie eine junge künftige Hausfrau aus. Die schwache Beleuchtung, die Feuerwärme, die Parfüme, Alles um die junge Braut her schien mir Weichlichkeit zu verrathen. Der Bräutigam jedoch, war offenbar kein Weichling, sondern ein Mann und ein Gentleman. Er war sichtlich sehr verliebt in seine junge Braut, die er jetzt zuerst nach Cincinnati und sodann nach Florida und seinem ewigen Sommer führen wollte. Man traktirte mich mit Hochzeitkuchen und süßem Wein.

Als ich aus dem parfümirten Zimmer mit seiner treibhausartigen Wärme und halben Beleuchtung trat, begegnete mir ein sommerblauer Himmel, sommermilde

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/406&oldid=- (Version vom 20.8.2021)