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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

mit ächten Spitzen und neuen Manschetten, die noch nicht dagewesen waren, aber just die Façon hatten, die ich zu tragen pflege, — und immer sah Miß Harriet, wenn ich ihr begegnete, so ernsthaft und entschlossen aus, als wollte sie sagen, sie befasse sich niemals mit den Angelegenheiten Anderer, erwarte aber auch, daß Andere sich nicht mit den ihrigen befassen. Es stand wirklich einige Zeit an, bis ich in vollem Ernst zu argwöhnen anfing, daß Miß Harriet sich damit befaßte, meine feine Wäsche zu besorgen, mein Weißzeug in Ordnung zu bringen und mir neue schöne Stücke zu nähen. Und als ich ihr endlich deßhalb zu Leibe ging, wollte sie zwar ein bischen mürrisch aussehen, aber ihr gutmüthiges, schalkhaftes Lächeln verrieth sie, und die ehrliche gute schwesterliche Seele hat mich seither mit ihrer etwas herben Stimme und ihrem ernsten Wesen nicht mehr fern zu halten vermocht. Aber daß diese Stimme nie etwas Anderes als die Wahrheit sprach und daß in diesem scheinbar kalten Wesen ein gutes redliches Herz und ein klarer tüchtiger Verstand, ein humoristisches, freundliches Gemüth wohnte, was sich bei genauerer Kenntniß auch in ihrer Unterhaltung ausprägte, das bemerkte ich so allmälig, und das hatte auch Mr. Harrison mir gesagt.

Wer ist Mr. Harrison? Er ist einer der Hausfreunde und ein Mann, den ich gerne zum Freund haben möchte. Mehr von ihm später, denn wir dürften Reisegefährten nach Neu-Orleans werden.

Miß V., eine jüngere Freundin und Bewohnerin des Hauses, ist so schweigsam und still, daß man im Anfang bloß aus der hohen Denkerstirne und aus der Ruhe in der ganzen edeln Gestalt ahnen kann, daß ihr mehr als gewöhnliche Gaben beschieden worden sind. Aber von Zeit zu Zeit kommt eine leise Bemerkung oder ein nachläßig und leise hingeworfenes Wortspiel, welches Dich veranlaßt, sogleich den Kopf zu drehen

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/438&oldid=- (Version vom 20.8.2021)