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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

Aber wenn Etwas bei ihnen ein umfassenderes Gefühl für das ganze Volk erwecken kann, so ist es sicherlich die gemeinschaftliche Sklaverei auf amerikanischem Boden und vielleicht mehr als irgend etwas Anderes in diesem Augenblick die Bill, welche die Auffangung flüchtiger Sklaven in freien Staaten gestattet. Dieser Gedanke erwachte in mir in den letzten Tagen bei einem Besuche in einer freien Negerkirche, wo ich bei dem Negerprediger und der ganzen Gemeinde nicht über mangelndes Interesse für die Sache des Volkes klagen konnte.

Ich hatte Vormittags eine Negerbaptistenkirche besucht, die der episkopalen Confession angehört. Es waren wenig Leute da, und die Gemeinde bestand aus der Negeraristokratie in der Stadt. Die Haltung beim Gottesdienst war still und gleichsam ein wenig vornehm — kurz langweilig. Aber der Gesang war rein und schön. Die Predigt von der Liebe ohne Prahlen, wie schwer sie zu gewinnen, wie unmöglich sie ohne Gottes Einwirkung und Mittheilung seiner Kraft sei, war vortrefflich.

Der Prediger war ein hellfarbiger Mulatte mit den Zügen der weißen Rasse, ein Mann von vielem gesunden Verstand und sehr guten Manieren, dessen Bekanntschaft ich schon in meiner Cincinnatiheimath gemacht hatte.

Nachmittags ging ich in die afrikanische Methodistenkirche in Cincinnati, die in dem Stadtviertel Afrika liegt. In dieser Gegend wohnt die Mehrzahl der freien farbigen Bevölkerung in der Stadt. Auch trägt das Quartier sichtliche Spuren davon. Straßen und Häuser haben zwar die angloamerikanische Regelmäßigkeit; aber zerbrochene Fenster und Lumpen, die vor ihnen heraushängen, kurz ein gewisses verwahrlostes, schofles Aussehen der Häuser sowohl als der Straßen, verkünden das Regiment der Kinder

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/488&oldid=- (Version vom 20.8.2021)