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Ich selbst empfand für Lylian vielleicht noch heißer, noch stürmischer, noch triebhafter. Eine Frau wie sie, kühnen, klaren Antlitzes, mit Augen, die des Herzens Sehnsucht kaum verbergen konnten, mit einem Körper, der sowohl Anmut, Kraft und Selbstzucht verriet, mußte mich Einsamen in Flammen setzen. Wir waren verwandte Naturen, – ihr lag das Abenteuerliche genau so unaustilgbar im Blute wie mir. Wir hatten oft genug an diesem Tische gesessen, und unsere Gedanken und Worte hatten einander ergänzt in regsamen Gesprächen, während drüben im „Salon“ die Amerikaner und Turst sich auf ihre Art zerstreuten. Oft genug hatte das Gedudel des Grammophons uns gestört, – bis ich dem Schreihals erbarmungslos das Genick gebrochen hatte … Nun stand die Drehscheibe still …

Oft genug war unvermittelt draußen vor dem Teppich der eherne Klopfer gegen die Messingscheibe, den Gong, geprallt, und Turst hatte von draußen mich gerufen und uns noch mehr gestört.

Vincent und Lylian mieden sich.

Woher ihre heimliche Abneigung eigentlich stammte, wußte ich nicht. Turst sprach über Lylian nur in wenig liebenswürdiger, ironischer Art. „Bücherschlange“, „Affenmutter“ – und ähnliches erfand er für sie als witzelnde Bezeichnung.

Nie sprachen sie miteinander, nie betrat Lylian den gemeinsamen Raum, – sie hielt sich auch von

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Max Schraut: Die Herrin der Unterwelt. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Herrin_der_Unterwelt.pdf/159&oldid=- (Version vom 31.7.2018)