Seite:Die Katastrophe von Para-Dschala.pdf/5

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Walther Kabel: Die Katastrophe von Para-Dschala (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 5)

ständig ausgesetzt waren, bildeten sozusagen das warnende Grollen des Unwetters, das sich kaum sechs Monate später in Gestalt des großen Aufstandes über ganz Indien entladen sollte. Die Eingeborenen schlichen um uns herum wie mordgierige Katzen. Ihre Mienen waren freundlich, aber in ihren Augen brannte tödlicher Haß. Und die mutigsten, die fanatischsten und – ehrlich gesagt – die begeistertsten Vaterlandsfreunde von ihnen waren eben die, die nachts mit der modernen Feuerwaffe in der Hand unsern Schlaf störten und unseren Spaten unliebsame Arbeit zum Gräberauswerfen gaben.

Nachdem wir in der ersten Januarhälfte des Jahres 1856 genügend Sprenglöcher gebohrt hatten, um einen Felsvorsprung, den wir scherzend ‚die Nase‘ getauft hatten, als erstes Hindernis beiseite zu räumen, wurden die Zündschnüre gelegt und alles für den Morgen des 17. für die Sprengung bereitgemacht. Diese gelang vollständig. Die ,Nase‘ war verschwunden. Nun ging es rüstig vorwärts. Anfang April hatten wir in dem Para-Dschala schon eine recht erhebliche Ausbuchtung freigelegt und auch bereits gegen zweihundert Meter Geleis eingefügt. Es galt jetzt nur noch die letzten siebzig Meter zu bewältigen. Diese gedachte unser leitender Ingenieur auf einmal zu erledigen. Hatten wir doch mit der Zeit so viel Neues hinsichtlich der Anlage der Sprengschüsse hinzugelernt, daß uns die Aufgabe gar nicht so riesengroß vorkam, wie es dem Laien scheinen mag. Es handelte sich nach unseren Berechnungen um ungefähr fünfzehnhundert Kubikmeter Gestein, die zu ‚bewegen‘ waren, wie der Fachmann sagt. Nicht weniger als achtzig Sprenglöcher, die meisten bis zu drei bis vier Meter Tiefe, wurden in den Heiligen Berg getrieben und dann im Laufe des 18. April mit Pulver gefüllt, wovon wir genau hundertundacht Zentner verbrauchten. Am folgenden Tage legte ich mit Hilfe zweier Kollegen die Zündschnüre und Pulverbahnen. Aber ein Regenguß, der am Abend einsetzte und einige Stunden andauerte, machte unsere ganze Mühe zuschanden. Die Zündschnüre waren durchgeweicht und die Pulverbahnen, die das gleichzeitige Explodieren aller Ladungen herbeiführen sollten, weggewaschen.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Die Katastrophe von Para-Dschala (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 5). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1914, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Katastrophe_von_Para-Dschala.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)