Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage | |
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mit Werthtiteln besitze, und wies ihm schnöde die Thüre, worauf sie mit ihrer Tochter um ein Städtchen weiter zog.
So sah Herr John das glänzende Oliva entschwinden wie eine schimmernde Seifenblase im Aetherblau, und höchst betreten hielt er seinen Glücksschmiedehammer in der Hand. Seine letzte Baarschaft war über diesem Handel fortgegangen. Daher mußte er sich endlich entschließen, etwas Wirkliches zu arbeiten oder wenigstens zur Grundlage seines Daseins zu machen, und indem er sich so hin und her prüfte, konnte er gar nichts, als vortrefflich rasiren, ebenso die Messer dazu im Stande halten und scharf machen. Nun stellte er sich auf mit einem Bartbecken und in einem schmalen Stübchen zu ebener Erde, über dessen Thüre er ein „John Kabys“ befestigte, welches er aus jener stattlichen Firmatafel eigenhändig herausgesägt und von dem verlorenen Oliva wehmüthig abgetrennt hatte. Der Spitzname Kohlköpfle blieb ihm jedoch in der Stadt und führte ihm manchen Kunden zu, so daß er mehrere Jahre lang ganz leidlich dahin lebte, Gesichter schabend und Messer abziehend, und seinen übermüthigen Wahlspruch fast ganz zu vergessen schien.
Da sprach eines Tages ein Bürger bei ihm ein, der so eben von langen Reisen zurückgekehrt war und
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/103&oldid=- (Version vom 31.7.2018)