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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Sobald ihn das kleine Männchen ganz verstand, fuhr es wie besessen in die Höhe, stampfte auf den Boden, schnaubte und schrie endlich: „Aus den Augen mir, undankbares Scheusal, verleumderischer Schuft! Warum sollte ich nicht im Stande sein, einen Sohn zu haben? Sprich, Elender! Ist das der Dank für meine Wohlthaten, daß du die Ehre meines Weibes und meine eigene Ehre begeiferst mit deiner niederträchtigen Zunge? Welch’ ein Glück, daß ich noch rechtzeitig erkenne, welch’ eine Schlange ich an meinem Busen genährt habe! Wie werden doch solche große Stammhäuser gleich in der Wiege schon vom Neid und von der Selbstsucht attaquirt! Fort! aus dem Hause mit Dir von Stund’ an!“

Er lief zitternd vor Wuth nach seinem Schreibtische, nahm eine Hand voll Goldstücke, wickelte sie in ein Papier und warf es dem Unglücklichen vor die Füße.

„Hier ist noch ein Zehrpfennig, und damit fort auf immer!“ Hiemit entfernte er sich, immer zischend wie eine Schlange.

John hob das Päcklein auf, ging aber nicht aus dem Hause, sondern schlich auf seine Kammer, mehr todt als lebendig, zog sich aus bis auf das Hemd, obschon es noch nicht Abend war, und legte sich in’s Bett, schlotternd und erbärmlich stöhnend.

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/140&oldid=- (Version vom 31.7.2018)