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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

welche er wörtlich abschrieb aus einem Buche. Dasselbe mußte aus irgend einer Bibliothek gestohlen worden sein, dem Einbande nach zu urtheilen, und war ganz voll Eselsohren, Tinten- und Oelflecke. Außer diesem Buche besaß er noch einen zerzausten Leitfaden zur französischen Konversation und ein Kartenspiel mit obszönen Bildern darin, wenn man es gegen das Licht hielt. Er pflegte jenes Buch im Bett auszuschreiben, um die Heizung zu sparen; da verschüttete er schließlich das Tintenfaß über Steppdecke und Leintuch, und als man ihm eine billige Entschädigung in die Rechnung setzte, drohte er, den Blauen Hecht in seinen Schriften und „Feuilletons“ in Verruf zu bringen. Da er sonst allerlei häßliche Gewohnheiten an sich hatte, wurde er endlich aus dem Hause gethan. Er schreibt übrigens unter dem Namen Kunibert vom Meere allerhand süßliche und nachgeahmte Sachen.“

„Was Teufel!“ sagte der Alte, „Ihr wißt ja wie ein Mann vom Handwerk über diese Dinge zu reden, Meister Georg!“ Der Kellner erröthete, stockte ein wenig und sagte dann: „Ich will nur gestehen, daß ich selbst anderthalb Jahre Schriftsteller gewesen bin!“ „Ei der Tausend!“ rief der Alte, „und was habt Ihr denn geschrieben?“ „Das weiß ich kaum gründlich zu berichten“, fuhr Jener fort,

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/154&oldid=- (Version vom 31.7.2018)