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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Kellner mehr Bildung und Schule besaßen als der kleine Schriftstellerkongreß, der zur Stunde unter dem gleichen Dache schlummerte.

Am nächsten Tage zerstreuten sich die Herren nach allen Winden, nicht ohne nochmals die zu gründende Sturm- und Drangperiode kräftiglichst besprochen zu haben. Indem sie vorläufig schon einige Rollen vertheilten, wurde es als eine glückliche Fügung gepriesen, daß in Viggi Störteler die schweizerischen Beziehungen trefflich angebahnt seien, und er übernahm es, einstweilen Bodmer und Lavater zusammen darzustellen, um die reisenden neuen Klopstocks, Wieland und Goethe zu empfangen und aufzumuntern.

So kehrte er ganz aufgebläht von Aussichten und Entwürfen in seine Heimat zurück. Er ließ die Haare lang wachsen, strich sie hinter die Ohren, setzte eine Brille von lauterm Fensterglas auf und trug ein kleines Spitzbärtchen, um sein Aeußeres dem bedeutenden Inhalte entsprechen zu lassen, den er durch seine neuen Bekanntschaften mit einem Schlage gewonnen. Seiner Sendung gemäß die er übernommen, begann er sich mehr unter seinen Mitbürgern umzuthun und suchte Anhänger. Wo er wußte, daß Einer ein Histörchen in den Kalender geschickt oder einige spöttische Knittelverse verfaßt

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/161&oldid=- (Version vom 31.7.2018)