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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage


Schulmeisterlein, Schulmeisterlein,
Des Nachbars Aepfel sind nicht Dein!

Er schämte sich auch gewaltig, und zwar nicht so sehr vor den Leuten als vor sich selbst. Die Art, wie ihn Gritli vor Gericht hingestellt hatte, war ihm als ein Stich ins Herz gegangen, öffnete ihm, wie er meinte, die Augen über sich und die Weiber, und er stieß die ganze Schar von nun an aus seinen Gedanken. Also ging er in sich, ließ alle Narrheit fahren und wandte sich mit Fleiß und Liebe seinen Schulkindern zu. Aber im besten Zuge ging just seine Amtsdauer zu Ende, da er nur Verweser und nicht fest angestellt war. Wie er nun aufs Neue gewählt werden sollte, wußte der Stadtpfarrer als Vorstand der Schulpflege seine Bestätigung bei den Behörden zu hintertreiben, indem er Bericht erstattete von Wilhelms Verwicklung in einem bedenklichen Ehehandel und den jungen Sünder einer heilsamen Bestrafung empfahl. Er haßte den Schulmeister wegen seines Unglaubens und seiner mythologischen Hantirungen; denn er wußte nicht, daß Wilhelm sich zum alleinigen und wahren Gott bekehrt hatte, sobald er sich geliebt glaubte. So wurde er für zwei Jahre außer Amts gesetzt und stand brot- und erwerblos da.

Er schnürte darum sein Bündel, um anderwärts

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/220&oldid=- (Version vom 31.7.2018)