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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Die gefundenen Schmuck- und Waffensachen fügte er den Merkwürdigkeiten seiner Einsiedelei bei.

Auf diese Weise erfuhr er, wie das grüne Erdreich Trost und Kurzweil hat für den Verlassenen und die Einsamkeit eine gesegnete Schule ist für Jeden, der nicht ganz roh und leer.

Um so schneller machte er sich unsichtbar, wenn der Tuchscheerer etwa mit großer Gesellschaft heraufkam, um sie in dem luftigen Winzerhäuschen zu bewirthen und auf den Matten herumspringen zu lassen. Insbesondere die lustigen Damen suchten neugierig des einsiedlerischen Jünglings ansichtig zu werden, der sich so gut anschickte und in Freiheit, Sonne und Bergluft ein hübscher brauner Gesell geworden. Es schien auf einmal der Mühe werth, den Flüchtling nicht zu unabhängig von der Macht ihrer Augen werden zu lassen. Auch einzeln dehnte dann und wann eine Vorwitzige ihre Spaziergänge bis zu dieser Höhe aus und spukte wie von ungefähr um das Häuschen herum. Allein Wilhelm war wie umgewandelt. Anstatt die Augen niederzuschlagen und heimlich verliebt zu sein, blickte er die Streifzüglerinnen ruhig und halb spöttisch an und ging seiner Wege ohne alle Anfechtung. Das war ein neues Wunder und vermehrte das Gerede über ihn in der Stadt.

Der Tuchscheerer war zufrieden über seinen Besitz.

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/229&oldid=- (Version vom 31.7.2018)