Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage | |
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In der Ebene, wo er auch ein Stück Land besaß, hatte er eine geräumige Stallung und eine Scheune gebaut. Dort stand das Vieh, dessen Zucht und Verkauf Wilhelm mit gutem Verstande berieth. Die zweimalige Heuernte brachte er ebenfalls glücklich unter Dach, und die Weinlese, welche darauf folgte, zeigte, daß der Berg trefflich besorgt war.
Als der Tuchscheerer nun seine Rechnung machte, fand er, daß er für die Zukunft wohl bestehen würde, wenn es so fortginge, und statt nur seinen vorübergehenden Spaß an der Sache zu haben, wie es am Orte Sitte war, entschloß er sich, mit Ernst dabei auszuharren und zu trachten, daß er ein gutes Ende gewänne. Obgleich er auch ein lustiger Tuchscheerer war, barg er doch eine gute Anlage in sich von irgend einem Aederchen her, weshalb er durch die frische Arbeitslust, Verständigkeit und Ausdauer Wilhelms aufmerksam wurde, besonders da er sah, daß der träumende und verliebte Schulmeister ganz plötzlich diese Tugenden hervorgekehrt, als wenn er sie auf der Straße gefunden hätte. Was ein Anderer könne, dachte er, das werde er auch im Stande sein; und so wurde er in ehrgeiziger Laune ein sorgfältiger und wachsamer Mann. Er stand früh auf und nahm seine Geschäfte der Ordnung nach an die Hand. Statt in seiner Tuchscheererei alles den Arbeitern zu überlassen,
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/230&oldid=- (Version vom 31.7.2018)