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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Gesichtsfarbe und zierlichen rothen Wänglein begabt; aber sie sahen so unfreundlich, streng und sauer aus, daß man zweifelte, ob sie je in ihrem Leben gelacht, wenn nicht höchstens einmal in dunkler Nacht, wenn sie dem Mann die erste Nachtmütze aufgeschwatzt hatten.

Die Begrüßung war denn auch befangen genug und man war allerseits froh, bald am Tische zu sitzen und die Verlegenheit mit Essen und Trinken zu vertreiben. Die Seldwyler fanden zuerst ihre natürliche Heiterkeit wieder und zwar durch die Bewunderung des reichen Tafelzeuges. Dies gefiel den Ruechensteinern nicht übel und sie schickten sich eben an, ein steifes Gespräch zu führen, als die Sache eine Wendung nahm, die sie sich nie geträumt hätten. Denn die Seldwyler, welche ihre Augen gebrauchten, entdeckten alsobald die heitern und anmuthigen Darstellungen der gewirkten Decken sowohl, wie der Trinkgeschirre, ließen die Blicke voll lachenden Vergnügens über die freien und üppigen Scenen schweifen, machten sich gegenseitig aufmerksam und wußten scherzend und zierlich das Dargestellte zu deuten und zu benennen, und die Damen hielten sich so wenig zurück, als die Herren. Dies dünkte die Wirthe und Wirthinnen doch etwas kindisch und sie sahen jetzt auch näher zu, was denn da so lustig zu betrachten wäre. Wie vom Himmel gefallen, erstarrten sie mit offenem

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/294&oldid=- (Version vom 31.7.2018)