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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

und sie führte ihn ebenfalls zu den Leuten zurück. Doch Küngolt kehrte ihm schnöde den Rücken und schaute mit wirklichem Kummer und Zorn in die Mainacht hinaus.

Wunderbar! Nun war das Kind auf einmal groß genug, dem spröden Jünglinge Liebessorge zu machen; denn traurig und betreten stand er auch zur Seite und war noch mehr beschämt als das Mädchen, Was ist das? Was gibt's da zu grämen? sagte der vergnügte Forstmeister, als er es bemerkte, und leidenschaftlich fing Küngolt an zu weinen und rief vor aller Welt: Er ist mir geschenkt worden von den Richtern, da er nichts als ein Leichnam war, den ich zum Leben erweckt habe! Drum hat nicht Er über mich zu richten, sondern ich allein über ihn, und er muß thun alles, was ich will, und wenn ich ihn gern küsse, so habe ich es allein zu verantworten und er hat nur still zu halten!

Alles lachte über diese wunderliche Aeußerung; die Forstmeisterin aber nahm den Dietegen bei der Hand, führte ihn zu dem Kinde hin und sagte: Komm! versöhne Dich mit ihr und laß Dich diesmal noch küssen! Nachher sollst Du auch Deinen Willen haben und ihr Vorgesetzter sein in solchen Sachen! Erröthend wegen der vielen Zuschauer bot Dietegen dem Mädchen halbwegs den Mund hin; sie ergriff ihn

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/324&oldid=- (Version vom 31.7.2018)