Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage | |
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reichliches Todtenmahl hatte anrichten lassen. Das Wildbret dazu, einen Rehbock und zwei prächtige Auerhähne, hatte er eigenhändig geschossen, voll Schmerz über seinen Verlust, und als die schön gefiederten Vögel nun auf dem Tische prangten, gedachte er abermals des hohen Bergwaldes, in welchem sie gesessen und welchen er in den jungen Jahren seiner Liebe so oft durchstreift hatte, das Bild der Todten im Sinne tragend. Doch durfte der Forstmeister nicht lange solchen Gedanken nachhängen; denn als der Claret und der Malvasier nun kredenzt und die Tafel mit einem großen Korbe voll vermischten Zuckerwerkes überschüttet wurde, belebten sich die Gäste und der Traueranlaß war bald von einem Taufmahle nicht mehr zu unterscheiden.
Der Forstmeister saß zwischen Küngolt und Dietegen, die sich wegen seiner großen Gestalt nicht sehen konnten, ohne sich vorn überzubeugen oder hinter ihm durch, und dies mochten sie nicht thun, da sie allein in der erwachenden Fröhlichkeit traurig und ernst blieben. Ihm gegenüber saß eine Person von vielleicht bald dreißig Jahren, eine Base des Forstmeisters Namens Violande. Diese Dame fiel auf wegen ihrer ausgesuchten, sonderbaren Kleidung, welches nicht die Kleidung einer Zufriedenen und Glücklichen, sondern eher einer Unruhigen und Hohlherzigen zu sein schien.
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/327&oldid=- (Version vom 31.7.2018)