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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

mehr nachließ, bis er mit ihr im Gerücht war. Dann pflanzte er in Ungeduld und Verwirrung die Eine wie die Andere hin und ergab sich auf kurze Zeit der Freiheit. Auf diese Weise verdarb ihm, obgleich er ein schöner und tüchtiger Gesell war, Alles, bis er an die nun verstorbene Forstmeisterin gerieth. Diese hielt ihn fest, da sie so ehrlich war wie er selbst und alle Künste der kleinen Hexe waren vergeblich, ja sie bemerkte dieselben nicht einmal, weil sie nur auf die Augen des Geliebten sah. Hiefür war er ihr auch dankbar und treu geblieben und hielt sie für eine theure Errungenschaft, so lang sie lebte.

Violande dagegen, als sie den Mann endlich versorgt sah, übte die erworbenen Geschicklichkeiten, um sie nicht brach liegen zu lassen, nun auch anderwärts aus, und je älter sie wurde, mit desto mehr Einsicht und Erfolg, aber ohne Glück für sie selber; denn sie blieb unverheirathet und die Männer, welche sie ihren Freundinnen abspenstig machte, wendeten sich deswegen nicht zu ihr, da sie eher Haß und Verachtung für sie empfanden. Da wandte sie sich dem Himmel zu und sagte, sie wolle eine Nonne werden; doch überlegte sie sich das Ding noch in der letzten Stunde und trat statt in ein Kloster in ein solches Ordenshaus, aus welchem sie allenfalls wieder herausgehen, und sogar noch heirathen konnte. Sie verschwand

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/329&oldid=- (Version vom 31.7.2018)