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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

viel aus der Base machte und sie für eine schnurrige Person hielt.

Sie zog also in den nächsten Tagen in's Forsthaus und stellte sich mit gutem Anstand und nicht ohne Rührung an dessen Herd, an welchem ihr endlich, nach langem Irrsal, die Wünsche ihrer frühsten Jugend in ruhige Erfüllung zu gehen schienen. Sie öffnete bescheiden die Schränke ihrer Vorgängerin und sah das Linnen und die Vorräthe wohlgeordnet und im tiefen Frieden liegen; zierlich gereiht sah sie die Töpfe und die Kessel, die Krüge und die Büchsen und lauschig hingen die Flachsbüschel unter dem Dache. In diesem Frieden ließ sie alles ein paar Wochen bestehen; dann aber begann sie allmälig die kleinen Töpfe zwischen die großen zu stellen, die Leinwand durcheinander zu werfen, den Flachs zu zerzausen, und bis sie damit zu Ende war, hatte sie auch die menschlichen Dinge im Hause in beginnende Unordnung gebracht.

Da sie beabsichtigte, endlich doch noch des Forstmeisters Frau zu werden, um sich wenigstens zu versorgen, so galt es vor Allem, sein Kind und den jungen Dietegen, deren Lage sie bald inne geworden, auseinander zu bringen und für immer zu trennen. Denn sie dachte richtig, daß Dietegen, wenn er das Mädchen zur Frau bekäme, als des Forstmeisters

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/331&oldid=- (Version vom 31.7.2018)