Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage | |
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Und Wort und Lied, von Mund zu Munde,
Von Herz zu Herzen hallt es hin;
So blüht des Festes Rosenstunde
Und muß mit goldner Wende flieh'n!
Und jede Pflicht hat sie erneuet,
Und jede Kraft hat sie gestählt
Und eine Körnersaat gestreuet,
Die niemals ihre Frucht verhehlt.
Drum weilet, wo im Feierkleide
Ein rüstig Volk zum Feste geht
Und leis die feine Bannerseide
Hoch über ihm zum Himmel weht!
In Vaterlandes Saus und Brause,
Da ist die Freude sündenrein,
Und kehr' nicht besser ich nach Hause,
So werd' ich auch nicht schlechter sein!
Dieses Lied sang der Fahnenträger des Seldwyler Männerchors, welcher an einem prachtvollen Sommermorgen zum Sängerfeste wanderte. Nachdem die Herren am Abend vorher aufgebrochen und einen Theil des Weges auf der Schienenbahn befördert worden waren, hatten sie beschlossen, den Rest in der Morgenkühle zu Fuß zu machen, da es nur noch durch schöne Waldungen gieng.
Schon breitete sich der glänzende See vor ihnen aus mit der bunt beflaggten Stadt am Ufer, als die sechzig bis siebzig jüngeren und älteren Männer des
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/382&oldid=- (Version vom 31.7.2018)