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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

war sie wieder in's Bett geschlüpft und endlich vergnügt eingeschlafen.

Jukundus schlief auch ziemlich lang und Rudolf war bis tief in den Vormittag hinein nicht zu erwecken, bis die Mutter mit Gewalt in sein Zimmer drang und ihn zur Rede stellte. Weil er nun den Ehrenhandel für abgethan erachten konnte, so vertraute er die Sache doch noch seiner Mutter an und erzählte ihr, wie der gute Rath und die That des Seldwyler Hauptmanns die Schwierigkeit gelöst und sein Leben, man könne wohl sagen, erhalten habe; denn er könne sich gar nicht vorstellen, wie er mit einer wirklichen Pistolenkugel aus einen gesunden Menschen hätte schießen sollen, während er diesem dann doch hätte stillhalten müssen. Und er pries in seiner immer noch aufgeregten Redseligkeit die Weisheit und Bravheit des Seldwylers so gewaltig an, daß sie von Betroffenheit und Aerger verwirrt in ihr Zimmer eilte und sich vor der Hand dort einschloß.

Sie war überdies eifersüchtig auf ihren Stauffacherruhm und auf ihr mütterliches Ansehen und Recht und ganz erbost, wieso ihr Rath dem Sohne übler hätte bekommen sollen, als derjenige eines jungen Seldwylers. Sie stürmte daher bald wieder aus ihrem Versteck hervor, um dem unberufenen Rathgeber selbst den Kopf zu waschen und damit zugleich

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/409&oldid=- (Version vom 31.7.2018)