Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage | |
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an seine Kost genommen, sich das Gebühren der Geschäftsfreunde verändert hätte, so daß diese nun das wahre Gesicht zeigten.
Jukundus sagte immer die Wahrheit und glaubte dafür auch Alles, was man ihm sagte. Er eröffnete stets im Anfang seine ganze Meinung und was er thun und halten konnte und nahm als richtig an, was ihm der Andere von seinen Kaufs- und Verkaufs- bedingungen und von der Beschaffenheit der Waare mittheilte, erst in der Meinung, daß jener schon sich bemühen werde, der Sache näher auf den Grund zu kommen, später, als das nicht geschah, gleich mit dem kecken Vorsatz der Täuschung. Und alle Erfahrung half hier nichts und jede Ermahnung der Frauen, nicht so leichtgläubig zu sein, war fruchtlos. Denn gleich das nächste Mal glaubte er wieder, weil er nicht anders konnte, oder es war ihm zu widerwärtig und verächtlich, lange zu zanken und zu feilschen. Dazu kam, daß er nichts weniger als ein geschickter Finanzmann war, der Geld und Credit zu wenden wußte, und so fügte es sich, daß eines Tages seine Mittel erschöpft waren und das Ende herangekommen. Es geschah dieß plötzlich, weil er nicht lange von einem Nagel an den andern gehängt und keinen Scheinverkehr getrieben hatte.
Er überlegte, ob er sich zuerst der Mutter oder
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/419&oldid=- (Version vom 31.7.2018)