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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

miteinander, daß die Leute still stehen, wie wir es auf unserer Hochzeitsreise in jener großen Stadt gesehen haben!"

Sie setzte sich und fuhr fort: „Erinnerst Du Dich noch, welch' einen seltsamen Eindruck es auf uns machte? Das regnete, regnete unaufhörlich, das Holz war naß und die Säge war naß und der Mann und die Frau waren durchnäßt und sie rissen die Säge unablässig hin und her und zankten bitterlich mit harten Worten! Weißt Du, warum? Sie stritten um die Noth, um das Elend, um die Sorge, und schämten sich nicht im Geringsten vor den Leuten, die zuhörten —"

„Schweig, rief Jukundus, wie kannst Du mein Wort so ausmalen und ausbeuten, da Du wohl weißt, wie es zu nehmen ist!"

„Es kann Alles darin liegen, was ich gesagt habe!" antwortete Justine. „Komm, sagte sie und legte den Arm um seine Schultern, Alles liebt Dich und Alles hilft Dir, Du bist ein ganzer Mann, wenn Du nur erst einen vernünftigen Boden unter den Füßen hast! Aber hier gedeihen wir nicht!"

Jukundus brach die Unterredung ab, um sich zu sammeln; denn er war verwirrt und gestört, weil er die Sache nicht so trost- und muthlos angesehen hatte wie seine Frau, und er fühlte sich gekränkt. Er ging

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/422&oldid=- (Version vom 31.7.2018)