Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage | |
|
abzuschwatzen, um auf eigene Faust eine schädliche Concurrenz zu eröffnen. Den Mäklern und Zwischenhändlern glaubte er gegen alle gefaßten Vorsätze immer wieder auf's Wort und genehmigte alle ihre Angebote schon, wenn die Anderen erst begannen, ihnen halbwegs zuzuhören und Antwort zu geben. In diese Ungeschicklichkeit arbeitete er sich recht eigentlich noch hinein, mehr als es in seinem Wesen bedingt war; eine Art unnatürlicher Dummheit legte sich auf seine Seele und umschleierte seine Gedanken, sobald es sich um Geschäfte handelte, und ehe ein halbes Jahr vorüber war, hatte er wie ein verborgener Marder einen merklichen Schaden in Gestalt eines Mindergewinns angerichtet, welchem nachgespürt wurde.
Als Justine bemerkte, daß die fremden Leute und Angestellten des Hauses ihren Mann bereits nicht mehr für ein Kirchenlicht hielten und ihn mitleidig belächelten, weinte sie heimlich vor Aufregung und Bekümmerniß und verfiel in eine beklemmende Angst, daß sie werde anfangen müssen, ihn für einen unglücklichen, beschränkten Menschen zu halten. Die Aussprüche des Vaters und der Brüder, wenn die Angelegenheit geheim berathen wurde, waren auch nicht angethan, ihren Muth und ihr Selbstgefühl zu erhöhen, und selbst die Trostworte der alten Stauffacherin,
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/439&oldid=- (Version vom 31.7.2018)