Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage | |
|
neben ihm her, leise weinend. Da es herbstlich stürmte und regnete, so glaubte Jukundus, sie wolle bequemer allein gehen und achtete nicht auf ihren Zustand. Bis sie zu Hause angekommen, hatte sie sich äußerlich gefaßt; inwendig aber zitterte sie vor Aufregung und Entrüstung.
Jukundus, den Vorfall schnell vergessend und von andern Sorgen erfüllt, wollte mit ihr jetzt die gemeinsame Lage besprechen und ihr darstellen, wie er glaube, daß sein rechter Platz nicht in diesem Hause sei, daß er doch versuchen müsse, auf eigenen Füßen zu stehen, wozu wohl noch schöne Zeit sei; daß sie ihm in die Hauptstadt folgen sollte, wo er gute Verbindungen und Freunde habe. Wenn Sie einige Mittel von den Eltern mitnehmen könnte für den Anfang, nur so viel, als sie etwa für den Kirchenkultus und die andern Lieblingssachen schon ausgegeben habe, so wäre ihm für die Zukunft nicht bange.
Er berührte diesen letzteren Punkt nur kleinlaut, weil er für sich nichts zu bedürfen glaubte und nur die Scheu Justine's vor aller Mittellosigkeit in's Auge faßte.
Kaum war er aber hier angelangt, so schwieg sie nicht länger; die rauhe Ursprünglichkeit der emporgekommenen Volksfamilie, welche die Männer zuweilen
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/460&oldid=- (Version vom 31.7.2018)