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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Gelde, das er noch von dem Verkaufe jenes alten Eichbaums übrig behalten und aufbewahrt hatte.

Von diesem Augenblicke an war aus dem Gesichte der beiden Ehegatten jenes anmuthige und glückliche Lachen verschwunden, so vollständig, als ob es niemals darin gewohnt hätte.

In dem dunkeln Wagen, neben der alternden Mutter, die in Ergebung und Schlaftrunkenheit wieder eingeschlummert war, sah Jukundus das schöne Gesicht Justine's vor sich, wie es ihn zum erstenmale angelacht hatte. Dieses Lächeln, sagte er sich bitter, sind die Künste eines Muskels, der gerade so und nicht anders gebildet ist; durchschneidet ihn mit einem kleinen leichten Schnitt und Alles ist vorbei für immer!

In der Morgendämmerung stand Justine, die nicht zu Bette gegangen war, vor einem Spiegel und sah ihre starren, bleichen Lippen; sie versuchte schmerzlich zu lächeln über den schönen, schlimmen Traum des entschwundenen Glückes. Allein ihr Mund und beide Wangen waren starr und unbeweglich wie Marmor, der Mund blieb von nun an verschlossen, und vom Morgen bis zum Abend und einen Tag wie den andern.


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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/462&oldid=- (Version vom 31.7.2018)