Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage | |
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wirklich aus der Gegend hinweg. Agathchen, das alternde Mädchen, hatte freilich dabei noch den geheimen Plan, die Mutter ihrer Kundschaft zu entführen, bei deren Bedienung sie anfing zusammenzubrechen, wenn die großen Waschfeldzüge eines Morgens um drei Uhr begannen und drei Tage hindurch dauerten. Sie dachte, ein Haspel- oder Windewerk in's Haus zu bekommen, wo sie dann die ruhende Mutter den ganzen Tag pflegen und zugleich für beide arbeiten könnte.
Sie fanden in der Nähe der Hauptstadt das gesuchte Unterkommen in einem kleinen Häuschen, welches ihnen der Seidenherr zum Wohnen gab. Dieses Gebäudchen befand sich in einem entlegenen Baumgarten und enthielt zwei kleine Gemächer in der Art, daß das eine nach dem Baumgarten hinausging und nur zu erreichen war durch das andere, welches an der Landstraße lag. Jenes war ein sonniger, freundlicher Aufenthalt im Grünen, da die Wiese mit den Bäumen dicht am Fenster lag. Dieses dagegen war ein dunkles unfreundliches Gelaß, dessen Eingang zugleich die Hausthüre bildete und auf die staubige Landstraße ging. Neben der Thüre gab es als Fenster nur noch ein kleines vergittertes Loch in der Mauer.
In diesem finstern Aufenthalt saß ein unzufriedenes und häßliches altes Weib, welches denselben hätte
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/511&oldid=- (Version vom 31.7.2018)