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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

dem harmlosen Betrug, welchen sie spielen sollte. Doch hustete sie, ehe sie die Thüre aufmachte, ein Weniges, und richtig sah man draußen in der Dämmerung des Vorraumes die unförmliche Gestalt des Weibes hinhuschen, behender als man von ihr erwartete.

Als es nun wieder stille war, wollten Mutter und Tochter doch wissen, auf welche Weise die junge Herrenfrau hieher gekommen sei und wohin des Weges sie gehe; denn sie bildeten sich nicht ein, daß sie nur zu ihnen allein so weit her habe kommen wollen.

Die Sonnenlichter, mit den Schatten der schwankenden Baumzweige vermischt, spielten auf dem Boden und an den Wänden des kleinen Stübchens; vor den offenen Fenstern summten die Bienen und ein grünes Eidechschen war von der Wiese herauf geklettert und guckte neugierig in das Gemach; ein zweites gesellte sich dazu und beide schienen der Dinge gewärtig, die da kommen sollten. Justine sah Alles und fühlte diesen Frieden; aber sie fand keinen rechten Muth, die Stille zu unterbrechen, bis sie zu weinen anfing und nun bedrängt und beklemmt den Frauen anvertraute und erzählte, daß sie religionslos geworden sei und bei ihnen Rath und Aufschluß suche, worin ihr Glück bestehe und woher ihr Seelenfrieden komme. Sie hoffte ein Neues, noch nicht Erfahrenes, Uebermächtiges zu erleben, dem sie sich ohne weiteres Grü

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/516&oldid=- (Version vom 31.7.2018)