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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

ein artiger Erbschleicher sein, wenn man die Sache näher untersucht und in einen vernünftigen Zusammenhang bringt. Denn ein paar alte Basen von ihm, die er beerbt hat, sind unvermuthet gestorben, ja, was sage ich? Sein eigener Vater ist vor ein paar Jahren gestorben, ohne daß er sehr alt oder krank war, höchst wunderlich!“

Jetzt erschrack aber Jukundus über die Folgen seines Thuns und er entriß der Alten den Zettel, indem er rief: „Schweigt still, abscheuliche Oelhexe! und untersteht Euch nicht, ein einziges Wort von alledem zu wiederholen, was Ihr da lügt, oder Ihr habt es mit mir zu thun!“

„Mit Euch? erwiderte die Unholdin, die ihn plötzlich mit aufgerissenen Augen anglotzte und dann zischte: „Was ist’s mit Euch? was willst Du eigentlich von mir, Du Hund? Du verfluchter Spion? Willst Du mich bestechen und zu Schlechtigkeiten mißbrauchen? Wart, Dich wollen wir schön in die Mache nehmen! Man kennt Dich schon! Man kennt Dich schon, Du erzschlechter Kerl!“

Von der häßlichen Wuth des Weibes und dem ungeheuerlichen Gesicht, das sie zeigte, gereizt, packte Jukundus, der sich schon zum Gehen gewandt hatte sie einen Augenblick, sich vergessend, am Kragen und entlockte ihr eben dadurch den Schrei, welcher das

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/524&oldid=- (Version vom 12.12.2022)