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Die Maschine des Theodulos Energeios
Von Karl Grunert


I.

»– – und ich glaube nun beinahe, daß Rabbi Ben Akiba recht hat!« sagte mein Freund Hintze.

Wir standen in seinem Laboratorium. Mein Freund hatte soeben die verblüffend kühne Behauptung aufgestellt, daß das geheimnisvolle Radium und die radioaktiven Stoffe lange vor Madame Curie schon einmal entdeckt worden seien.

»Und wer war der geheimnisvolle Entdecker?«

»Ein griechischer Gelehrter, Theodulos Energeios –« antwortete mein Freund – »und das wunderbarste an seiner Entdeckung scheint mir, daß er wahrscheinlich gar keine Ahnung von seinem wundersamen Funde gehabt hat, ja, darüber weggestorben ist, ohne ihre eigentliche Bedeutung erkannt zu haben –«

»Wenn Sie sich etwas weniger geheimnisvoll äußern würden, lieber Freund,« konnte ich mich nicht enthalten zu bemerken, »würde es für die Sache selbst und für mein Verständnis entschieden besser sein!«

»Schön!« erwiderte Freund Hintze, »ich weiß aber im voraus, daß Ihnen die ganze Sache unsinnig erscheinen wird, wenn ich sie mit dem Namen nenne, den Theodulos Energeios ihr gegeben hat; er gehört leider zu den sonderbaren Käuzen, die da glauben, das ›Perpetuum mobile‹ erfunden zu haben –«

Ich wandte mich enttäuscht ab.

»Sehen Sie,« sagte mein Freund lächelnd, »ich wußte es. Mir ging es ja ebenso! – aber ich freue mich, daß ich trotzdem der merkwürdigen Geschichte näher getreten bin – und mit Ihrer Hilfe bis auf den Grund zu kommen hoffe. Es ist ja nicht das erstemal, daß ein Entdecker etwas ganz anderes entdeckt, als er selber glaubt: Kolumbus hat sein Lebtag gemeint, die Küste Indiens gefunden zu haben – und hatte doch eine neue Welt entdeckt! –«

»Aber ein Perpetuum mobile kann nur ein Unkundiger zu erfinden glauben,« warf ich verächtlich ein.

»Seien wir nicht zu stolz,« sagte mein Freund. »Als die ersten Nachrichten von der Entdeckung des Radiums und seiner schier unerschöpflichen Energieabgabe durch die Welt schwirrten, tauchten in so manchem Kopfe unserer naturwissenschaftlich geschulten Generation die alten Träume von der Möglichkeit eines solchen Perpetuum mobile wieder auf! Deswegen laß’ ich mir den alten Theodulos Energeios nicht schelten –«

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Carl Grunert: Die Maschine des Theodulos Energeios. Stuttgart: Union Deutsche Verlagsgesellschaft, 1912, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Maschine_des_Theodolus_Energios_001.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)