Seite:Die Maschine des Theodolus Energios 002.png

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»Und welche Arbeit leistet denn diese wunderliche Maschine?« fragte ich spöttisch.

»Sie ist nach dem Berichte ihres Erbauers eine Universalmaschine: Sie liefert je nach der Einschaltung: Wärme, Licht, Elektrizität oder chemische Arbeit –«

»Also eine Idealmaschine, wie wir sie auch in unseren Tagen immer noch sehr gut brauchen könnten –«

»Ja –« bestätigte mein Freund – »und wie wir sie bisher in kleinen, eben nur in einem einzigen Stoffe der Welt, im Radium vor uns haben.«

Ich mochte wohl noch immer ein sehr ungläubiges Gesicht machen; denn der Freund setzte hinzu: »Ich erzähle, was ich gehört habe. – Wieviel davon in Wahrheit geleistet wird, kann ich freilich nicht sagen –«

»Aber – woher haben Sie denn überhaupt die Nachricht von dem Perpetuum mobile des Theodulos Energeios, lieber Freund?«

»Von ihm selber!«

»Also nicht aus einer wissenschaftlichen Schrift?«

»Aus einem Manuskripte des Theodulos Energeios!«

»Und wie sind Sie dazu gekommen?«

»Ich habe es gefunden!«

»Wie? Gefunden? Aber wo?«

»Unter alten Papieren! – Theodulos Energeios ist – seit hundert Jahren tot!«

Abermals starrte ich meinen Freund erstaunt an.

»Hören Sie zu, lieber Freund; ich will nicht länger mit Ihnen Versteck spielen! – Sie wissen, daß mir der amtliche Auftrag wurde, die wissenschaftliche Hinterlassenschaft Professor Bambergs für das hiesige Naturwissenschaftliche Institut zu sichten. Der Mann hat zeitlebens die seltsamsten und kostbarsten Apparate und Konstruktionen zusammengebracht; merkwürdige Dinge finden sich darunter! – Beim Durchstöbern der Kataloge, Beschreibungen und dergleichen stieß ich auf ein altes Manuskript – in griechischen Lettern – neugriechisch! – Und darin beschreibt Theodulos Energeios – das Schriftstück stammt aus dem Jahre 1808! – ausführlich seine Entdeckung und gibt auch eine – leider fast verblichene, sehr schlecht erhaltene Zeichnung der auf Grund seiner Entdeckung erbauten Maschine —«

»Eine Mystifikation!« warf ich zweifelnd ein.

»Durchaus nicht; lautere Wahrheit! Das Manuskript trägt nämlich einen später hinzugefügten Anhang, worin die Behörde Athens beglaubigt, daß der Verfasser des Schriftstücks, eben unser Theodulos Energeios, den jedermann als einen rüstigen Fünfziger gekannt habe, plötzlich zum schneeweißen, zitternden Greise geworden sei, und daß man auf seinen Wunsch bei seinem Tode die von ihm konstruierte Maschine an einer verborgenen Stelle seines Gartens vergraben habe.«

»Sonderbar! – Und seine Maschine? Ruht sie noch in klassischer Erde?«

»Nein!« entgegnete mein Freund mit geheimnisvollem Lächeln.

Empfohlene Zitierweise:
Carl Grunert: Die Maschine des Theodulos Energeios. Stuttgart: Union Deutsche Verlagsgesellschaft, 1912, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Maschine_des_Theodolus_Energios_002.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)