Seite:Die Maschine des Theodolus Energios 007.png

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abzuwarten, setzte ich mit aufblitzendem Verständnis hinzu: »Nun finde ich auch die Gedankenbrücke zum Zeichen des vierten Zifferblattes: die zum Ringe geschlossene Schlange findet sich als Symbol der Ewigkeit auf vielen ägyptischen Denkmälern; Ägypten, das uralte ›Kemi‹, ist die Heimat der ›Alchemie‹ – Chemie soll das letzte Zeichen bedeuten. Habe ich es getroffen?«

Mein Freund nickte. »Wenn ich nicht Ihre Vorliebe für das alte Ägypten kennte, müßt’ ich eigentlich diese Kombinationsgabe bewundern,« sagte er dann lächelnd. Dann fuhr er fort: »Was der Apparat liefert, wissen wir also; wenn wir nur erst wüßten, wie er liefert!«

»Vielleicht ist jede der vier Seiten – die Maschine ist auf nahezu quadratischer Grundfläche montiert – zur Abgabe einer der vier Energien bestimmt?« sagte ich.

»Der Gedanke erscheint einleuchtend,« erwiderte mein Freund, »aber ins Innere der Maschine kommen wir damit noch immer nicht hinein.«

»Und doch spricht der alte Theodulos Energeios von ›dem Spiel der Wellen und Räder und Scheiben‹, das ihn so manchesmal entzückt habe?«

»Freilich – freilich,« antwortete mein Freund nachdenklich.

»Und das Manuskript – die Zeichnung? Gibt sie keinen Aufschluß?« fragte ich weiter.

Mein Freund antwortete nicht. Sein Auge haftete wie gebannt auf den Zifferblättern der Maschine.

»Was sehen Sie?«

»Haben Sie sich die anfängliche Zeigerstellung gemerkt?« fragte er zurück.

Ich verneinte. Aber ich ahnte, was er meinte! Starr betrachtete nun auch ich die weißen Scheiben.

Aber es war doch wohl nur eine Augentäuschung gewesen: unbeweglich standen die vier Zeiger – wie seit hundert Jahren.

Nein – nicht unbeweglich! Langsam – ganz langsam wanderte der Zeiger des Zifferblattes, unter dem das Symbol der Ewigkeit stand!

»Die Maschine arbeitet!« sagte mein Freund flüsternd zu mir, »sie geht – nach hundertjährigem Stillstand – geht von selbst –«

»Vielleicht – hat sie überhaupt noch nicht stillgestanden,« setzte ich ebenso hinzu, »und wenn das Dynamin ein radioaktiver Stoff ist, wäre dies ja auch nichts Unmögliches; nur schade, daß wir so gar nichts von ihrer Arbeit zu sehen bekommen!«

Wir traten näher an den sonderbaren Apparat heran. Wie gebannt starrten wir auf die weißen Scheiben. Und mir war, als ob von der Maschine des Theodulos Energeios rätselhafte magnetische Anziehungskräfte ausgingen; ich vermochte mich nicht wieder loszureißen – eine sonderbare Willenlosigkeit, wie beim Beginn einer Hypnose, eine wohlige Mattigkeit, ein einlullendes Gefühl lässigen Behagens erfüllte mich!

Und plötzlich vernahm ich ein rhythmisches Klopfen aus dem Innern der Maschine – ein helles metallenes Klingen!

Empfohlene Zitierweise:
Carl Grunert: Die Maschine des Theodulos Energeios. Stuttgart: Union Deutsche Verlagsgesellschaft, 1912, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Maschine_des_Theodolus_Energios_007.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)