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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier

aber weineten im Ernste sowohl, als der Kaufmann. Nur die Schöne weinete nicht, weil sie ihren Schmerz nicht vermehren wollte. Das Pferd nahm den Weg nach dem Pallaste; und gegen Abend wurden sie ihn so erleuchtet gewahr, als das erste Mal. Das Pferd war ganz allein in dem Stalle; und der wackere Mann gieng mit seiner Tochter in den großen Saal, wo sie eine prächtig angerichtete Tafel fanden, die für zwo Personen gedecket war. Der Kaufmann hatte nicht das Herz, daß er etwas aß. Die Schöne aber, welche sich zwang, ruhig zu scheinen, setzete sich zur Tafel und legete ihm vor. Darauf sagete sie bey sich selbst: „Das Thier will mich fett machen, ehe es mich auffrißt; weil es mir so gutes Essen und Trinken giebt.“

Als sie gegessen hatten, so höreten sie ein großes Geräusch, und der Kaufmann nahm von seiner Tochter mit Weinen Abschied; denn er dachte, das Thier käme. Die Schöne konnte sich des Zittern und Bebens nicht enthalten, als sie diese schreckliche Gestalt sah. Sie fassete sich aber wieder, so gut sie konnte; und da das Ungeheuer sie fragete, ob es aus gutem Herzen geschehen wäre, daß sie hergekommen, so sagete sie mit Zittern, ja.

„Sie sind sehr gütig, sagete das Thier, und ich bin Ihnen sehr verbunden. – Ihr aber, guter ehrlicher Mann, reiset morgen früh, und lasset euch niemals einfallen, hier wieder herzukommen. – Leben Sie wohl, Schöne. –“ Fahre wohl, Thier, antwortete sie; und gleich darauf begab sich das Ungeheuer hinweg.

„Ach, meine liebe Tochter, sagete der Kaufmann, indem er die Schöne umarmete, ich bin halbtodt

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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier. Weidmann, Leipzig 1767, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sch%C3%B6ne,_und_das_Thier._Ein_M%C3%A4rchen.pdf/12&oldid=- (Version vom 2.4.2020)