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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier

vor Schrecken. Folge mir, laß mich hier bleiben.“ – „Nein, mein lieber Vater, sagete die Schöne mit Standhaftigkeit zu ihm; Sie sollen morgen früh abreisen, und mich dem Beystande des Himmels überlassen; vielleicht wird er sich meiner erbarmen.“

Sie legeten sich nieder, und glaubeten, sie würden die ganze Nacht nicht schlafen können. Sie waren aber kaum in ihren Betten, so thaten sich auch ihre Augen zu. Die Schöne sah in währendem ihren Schlafe eine Dame, die zu ihr sagete: „Ich bin mit deinem guten Herzen zufrieden, Schöne. Die gute That, die du jetzo thust, indem du dein Leben hingiebst, um das Leben deines Vaters zu retten, wird nicht ohne Belohnung bleiben.“ Die Schöne erzählete beym Aufwachen diesen Traum ihrem Vater: und ob er ihn gleich ein wenig tröstete, so hinderte ihn solches doch nicht, sehr zu winseln und zu wehklagen, als er sich von seiner geliebten Tochter trennen mußte.

Da er abgereiset war, so setzete sich die Schöne in den großen Saal, und fieng auch an zu weinen. Weil sie aber viel Muth hatte, so empfahl sie sich dem lieben Gotte, und entschloß sich, sie wollte sich die wenige Zeit über, die sie noch zu leben hätte, nicht kränken; denn sie glaubete steif und fest, das Thier würde sie den Abend auffressen. Sie nahm sich vor, sie wollte unterdessen herum spatzieren, und dieses schöne Schloß besehen. Sie konnte sich nicht enthalten, die Schönheit desselben zu bewundern. Sie wurde aber sehr erstaunet, als sie eine Thüre fand, worüber geschrieben stund: Zimmer der Schönen. Sie machete die Thüre in aller Eile auf, und ward von der Pracht ganz verblendet, die daselbst herrschete. Was

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Jeanne-Marie Leprince de Beaumont, Johann Joachim Schwabe: Die Schöne, und das Thier. Weidmann, Leipzig 1767, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sch%C3%B6ne,_und_das_Thier._Ein_M%C3%A4rchen.pdf/13&oldid=- (Version vom 2.4.2020)