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– vielleicht war es eine Woche – als endlich die Sonne wieder von einem wolkenlosen Himmel herabstrahlte. Nach einem Tage schon hatte sich das Wasser verlaufen, schnell trocknete der Boden, und Richard dachte nun an seine Rückkehr nach der Stadt. Da aber sein Rad ebenso wie seine Waffen zu einer verrosteten Eisenmasse geworden waren, mußte er zu Fuß wandern. Doch wo war denn der Weg geblieben? Alles, wohin das Auge auch blickte, bildete nur eine einzige grüne Wiese mit meterhohem Grase. Von einer Landstraße war gar nichts mehr zu sehen. Schließlich unterschied er sie doch an dem kürzeren Grün, das ebenso wie auf den unbestellt gewesenen Feldern mehr aus Unkraut bestand, während die Wintersaat schon meterhoch geschossen war. Das mußte eine herrliche Ernte geben! Und alles das hatte der Regen einer einzigen Woche bewirkt! Das immer alles unter Wasser gestanden, hatte nicht geschadet. Ebenso zeigten alle Bäume schon frische Blätter und sogar Blüten. Die Knospenzeit war bereits vorüber.

Richard schritt der Stadt zu. Was ihm sonst noch auffiel, waren die vielen kleinen und großen Raubvögel, die im Aether schwebten. Auch dicht vor ihm stieg, einen Anlauf nehmend, ein Raubvogel von solcher Größe auf, daß er erschrocken stehen blieb. Das konnte nur ein Adler oder Geier gewesen sein. Wie kam ein solcher nach Deutschland? Nun, einem Segler der Lüfte konnte eine Reise von der Schweiz nach hier nur eine Kleinigkeit gewesen sein.

Schon aus der Ferne sah Richard den Schlitten auf der Landstraße stehen. Er machte jedoch einen großen Bogen über die Felder um ihn herum, ein solch übler Geruch ging von dem verwesenden Pferde aus, das vor dem Schlitten verendet war, und als er noch nicht die ersten Häuser der Stadt erreicht hatte, gab er seinen Vorsatz auf, dieselbe zu betreten, denn ein pestartiger Gestank wehte ihm schon hier entgegen. Dieser war es jedenfalls gewesen, der die zahlreichen Raubvögel angelockt hatte.

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Robert Kraft: Die Totenstadt. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Totenstadt.pdf/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)