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Richards Annahme.

Die Landstraße war von der hochstehenden Sonne schon getrocknet. Von den Feldern war der Schnee weggeschmolzen, die frischen, grünen Spitzen der Wintersaat zeigten sich bereits und bildeten mit den unbestellten Aeckern und den blätterlosen Bäumen einen merkwürdigen Gegensatz. Auch ein auf der Landstraße stehender Schlitten nahm sich seltsam aus, der Kutscher war tot vom Bock gefallen, davor lag das Pferd. Ferner sah Richard viele tote Mäuse, Hasen und Vögel, alles hatte die Giftwelle vernichtet, doch wurde die Luft noch immer von Vögeln belebt. Aber ein vierfüßiges Tier schien nicht mehr zu leben.

Während des Fahrens überlegte sich Richard, daß der Schuster schließlich doch recht hatte, wenn auch anders, als er meinte. Eine Hungersnot konnte für sie nicht eintreten. Es mußte ja ungeheure Vorräte an Mehl und Hülsenfrüchten geben, die nicht so leicht verdarben, und bis dies geschah, war das Getreide und das Obst reif, das in dem neuen, heißen Klima herrlich gedeihen würde. An Fleisch konnte es ebenso wenig fehlen, dafür sorgten zunächst die Konserven, und dann gaben die Vögel, schon allein die Tauben, die sich stark vermehren würden, wenn man sie in Ruhe ließ, genug jagdbares Wild ab.

Wie mochte aber später, vielleicht in zehn Jahren, diese Gegend aussehen? Sie würde jedenfalls ein sehr glückliches Land werden. Getreide, Kartoffeln und Obst wuchsen dann gewiß in Ueberfluß und trugen hundertfältige Frucht, der Mensch brauchte ja nur etwas Fleiß auf das Land zu verwenden, das ihn ernähren sollte. An Fleisch mangelte es auch nicht. Die Plagen der südlichen Länder – Schlangen, Skorpione, Mosquitos und so weiter – fehlten ganz. Denn in dieser Gegend war nie eine Kreuzotter gefangen worden, und schließlich konnte man sich dieser kleinen Schlangen leicht erwehren,

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Robert Kraft: Die Totenstadt. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Totenstadt.pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)