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Walther Kabel: Die Unglücksfahrt des „Neptun“ (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 2)

herrschende Nebel die Finsternis noch undurchdringlicher machte, war die allgemeine Verwirrung um so größer. Außerdem bildete das Deck ein wildes Durcheinander von Stangen, Spieren und Tauwerk, durch das man sich nur schwer einen Weg bahnen konnte. Waren doch die beiden Masten – der „Neptun“ führte außer der Dampfmaschine noch Briggtakelage - durch den Anprall abgebrochen und teilweise auf das Verdeck niedergestürzt.

Als die Leute noch halb wahnsinnig vor Angst umherrannten und eben mit dem Klarmachen der Rettungsboote beginnen wollten, ertönte plötzlich der Schreckensruf: „Die Tiere sind los!“ Und wirklich sah man jetzt auf dem Vorderdeck bei dem unsicheren Lichte der Positionslaternen dunkle Tierkörper zwischen den Trümmern der Masten hin und her huschen. Schon wollten einige Matrosen, die sich schnell mit Korkwesten versehen hatten, über Bord springen, um der doppelten Gefahr zu entgehen, als der Kapitän sie noch im letzten Augenblick zurückzuhalten vermochte. Denn da der „Neptun“ jetzt nach dem Zusammenstoß völlig regungslos dalag und selbst die schaukelnde Bewegung vollständig aufgehört hatte, konnte Kapitän Robinson den ganzen Umständen nach nur annehmen, daß sein Schiff auf ein treibendes Eisfeld aufgelaufen sei, sich darin festgekeilt habe und daher die Befürchtung, der Dampfer könnte schnell wegsinken, nicht bestände.

Die ganze Besatzung stürzte nun wieder in wilder Hast auf das Hinterschiff und drängte sich in den beiden Wohnräumen des Kapitäns zusammen, wo man eilig die Tür und die Fenster des Kajütenaufbaues verrammelte.

Bei Anbruch des Tages zeigte es sich dann, daß Robinson das Richtige vermutet hatte. Der „Neptun“ lag in der flachen Ausbuchtung eines riesigen Eisberges fest und unbeweglich. Er war auf eine sich unter dem Wasser weit vorstreckende Eiszunge aufgefahren. Jetzt konnte man bei dem stetig zunehmenden Tageslicht auch endlich die Verwüstungen überschauen, die die stürzenden Masten auf dem Deck angerichtet hatten. Die Kommandobrücke und das Kartenhäuschen waren zerschmettert worden, ebenso ein Teil der Reling, und dasselbe

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Walther Kabel: Die Unglücksfahrt des „Neptun“ (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 2). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1914, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Ungl%C3%BCcksfahrt_des_Neptun.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)