Eile die Zeltbahnen, die das Regendach gebildet hatten, zusammengerafft, die Standarte unter dem Reisig hervorgeholt und der Marsch angetreten. Nach knappen zehn Minuten standen die vier Versprengten dann wirklich am Rande einer etwa zweihundert Meter breiten Schlucht, die sich von Süden nach Norden mindestens einen Kilometer lang hinzog und von dunklen Fichten und überhängenden alten Eichen umsäumt war. Die Wände dieses mitten in dem weiten Forst liegenden Felskessels waren an manchen Stellen derart steil, daß man nur mit Hilfe von Stricken hätte hinabgelangen können. An anderen Stellen wieder ging die Schlucht ziemlich flach in den eigentlichen Wald über. Auf dem Grunde dieses Tales lagen überall mächtige Steinblöcke umher, einzelne davon von ganz respektabler Höhe. Moos, niedrige Kiefernstämmchen und Unkraut wucherten auf ihnen mit seltener Üppigkeit.
Der kleine Trupp eilte weiter am Ostrande entlang einer Stelle zu, wo der Abstieg keine großen Schwierigkeiten bot. Weber war immer ein paar Schritte voraus, ihm folgte Trepinski, der die Standarte trug, dann kam der Gefreite mit seinem großen Bündel und den Beschluß des Zuges machte Fritz Makull mit dem braven Hektor an der Leine.
Plötzlich blieb der Hund wie angewurzelt stehen, die Nase tief auf den Boden gedrückt. Wieder sträubten sich seine Rückenhaare hoch empor, aber er knurrte nicht. Nur an der Leine zerrte und zog er nun mit aller Kraft seiner drei unverletzten Beine. Er wollte durchaus näher an den Rand der Schlucht heran, gerade dorthin, wo eine vom Sturm vor langer Zeit halbentwurzelte Eiche weit über den hier sehr schroffen Abhang hinüberhing. Und Makull ließ ihm den Willen. Er war neugierig, was des klugen Tieres Argwohn erregt haben könnte.
Jetzt standen sie ganz dicht an der steilen Wand, in deren Spalten hie und da Tannen- und Kiefernstämme wuchsen. Sowohl Hektor wie auch sein Herr reckten, sich weit vorbeugend, die Hälse lang. Aber die Kulisse der Nadelbäume war zu dicht, um sie mit den Blicken durchdringen zu können. Schließlich wagte der junge Student es, den beinahe wagerecht liegenden Stamm der Eiche zu betreten. Vorsichtig
W. Belka: Die Versprengten. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1914, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Versprengten.pdf/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)