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Der Offizier schaute empor. Weber winkte ihm mit der Hand zu und deutete ihm an, er solle näher an die unterhalb der Grotte stehende Kieferngruppe herankriechen.

Sehr bald konnten sie sich nun auch durch leise Worte verständigen. Und dann kehrte Weber zunächst in die Höhle zu seinen Gefährten zurück. Die Beratung dauerte nur kurze Zeit. Der Oberleutnant, der einen Schuß im linken Oberarm hatte, mußte irgendwie in die Grotte emporgezogen werden, falls man sich nicht der Gefahr aussetzen wollte, von den im nördlichen Teile der Schlucht noch immer umherschwärmenden Franzosen bemerkt zu werden.

Der Gefreite Hartock war es, der das Richtige fand: in aller Eile wurde aus den Gewehrriemen, den Decken und den Mänteln eine Art Seil hergestellt, an dem sich Fritz Makull als der leichteste in die Schlucht hinabließ, was auch keine großen Schwierigkeiten bot, da die Entfernung vom Rande der Grotte bis zum Grunde des Talkessels nur etwa sechs Meter betrug.

Es glückte denn auch tatsächlich, den verwundeten Oberleutnant, dem das Ende des Seiles, eine der Decken, fest um die Mitte des Leibes geknüpft worden war, emporzuziehen. Ihm folgte dann auf demselben Wege der junge Student, für dessen gesunde Glieder diese Kletterpartie ein leichtes war.

Der völlig erschöpfte Offizier wurde nun im Hintergrunde der Grotte weich gebettet und von Fritz Makull so gut es ging verbunden. Leider stellte sich heraus, daß die Kugel auch den Oberarmknochen durchschlagen hatte. So blieb denn nichts anderes übrig als aus Moos und Zweigen einen festen Verband herzustellen, der das Einschienen des verletzten Knochens ersetzen sollte.

Der Oberleutnant war derselbe Prinz Stelheim, der als Ordonnanzoffizier am vergangenen Tage dem Kommandeur der Xten Division vom Oberkommando den Befehl zur Rückwärtsbewegung überbracht hatte. Er war dann am Nachmittag mit einem noch gefährlicheren Auftrag in die vordere Gefechtslinie zu dem Oberst des Infanterie-Regiments geschickt worden, das mit so glänzender Bravour stundenlang den weit überlegenen Feind aufgehalten hatte. Bei diesem Ritt war ihm sein Pferd unter dem Leibe erschossen worden, und er selbst geriet in die Angriffslinie der französischen Kavallerie

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W. Belka: Die Versprengten. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1914, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Versprengten.pdf/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)