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ließe. Die Franzosen haben nämlich drüben längs der Straße eine Feldtelephonleitung gelegt, wie ich heute bemerkte. Der Draht läuft über die unteren Äste der den Weg umsäumenden Bäume hin und dürfte vorn in der neuen Feldstellung endigen, die der Gegner da im Osten angelegt hat. Es wäre nun ein leichtes, diesen Draht „anzuzapfen“, wie man das heimliche Anschließen eines neuen Drahtes nennt. Dann könnte man alle Gespräche, die die Leitung durchlaufen, mit anhören.“

„Donnerwetter!“ entfuhr es dem Prinzen, der jetzt aufrecht, ein Mooskissen[1] im Rücken, auf seinem Lager saß und in seinen schlanken, feinen Fingern die letzte seiner Zigaretten hielt, „das wäre ja großartig. Allerdings,“ fügte er dann schon weniger begeistert hinzu, „was hilft es uns schließlich, wenn wir auf diese Weise auch so manche Geheimnisse der feindlichen Heeresleitung erfahren! Wir können das Gehörte ja doch nicht an unser Oberkommando weitermelden. Trotzdem, ein Versuch in dieser Beziehung wäre recht interessant. Nur – wäre es nicht sehr wahrscheinlich, daß die Franzosen die Leitung öfters revidieren und dabei die „angezapfte“ Stelle finden? Und weiter – haben Sie denn in Ihrem Telephonkasten genügend viel Draht, um die Nebenleitung bis nach hier zu führen?“

Aber Hartock ließ sich so schnell nicht von seinem Plan abbringen. „Einer Entdeckung kann man durch schlaue Anlage des neuen Drahtes, der ohnehin sehr dünn und daher schwer zu bemerken ist, vorbeugen, Herr Oberleutnant. Mein Drahtvorrat würde nun allerdings nicht bis in unsere Grotte reichen, da ich nur etwa 800 Meter in dem Kasten habe. Aber das schadet auch nichts. Man könnte ja in einer dicht belaubten Buche einen Telephonposten einrichten.“

„Und wer sollte dort sitzen und auf etwaige Gespräche warten?“ warf der Unteroffizier achselzuckend ein. „Die Sache hätte doch überhaupt nur Zweck, wenn das Telephon Tag und Nacht von einem von uns beobachtet würde. Für diese Aufgabe käme ich nun allein in Betracht, da ich das Französische fertig spreche und verstehe. Fortdauernd aber in der Krone eines Baumes zu hocken – wer könnte das aushalten?“

„Alles ganz schön diese Einwendungen, lieber Weber,“ meinte Prinz Stelheim jetzt, indem er den Stummel seiner


  1. Vorlage: Mooskisesn
Empfohlene Zitierweise:
W. Belka: Die Versprengten. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1914, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Versprengten.pdf/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)