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derart umgestürzt, daß sich nicht erkennen ließ, wie es hinter dem Trümmerhaufen von Ziegeln ausschaute.

Von Mann zu Mann ging die Aufforderung durch die dünne Schützenlinie. Aber infolge des jetzt mit furchtbarer Heftigkeit einsetzenden Artilleriefeuers, dem sich auch schon das taktmäßige Knattern von Maschinengewehren beimengte, deren Kugelsaat unaufhörlich über die Köpfe der deutschen Infanterie hinfegte, wagte es niemand, selbst der dem eingeschossenen Ofen zunächst Befindliche nicht, noch den beiden Kameraden zu sehen, die so gar kein Lebenszeichen mehr von sich gaben.

So mußte sich denn Makull, der wußte, daß von diesen einer sein Putzer gewesen war, selbst auf den Weg machen. Obwohl Unteroffizier Weber ihn warnte, jetzt seine Deckung ja nicht zu verlassen, kroch er doch auf allen Vieren hinter dem Kamm der Anhöhe entlang und kam auch wirklich unverletzt bei dem zertrümmerten Ziegelbau an. Die beiden Leute, die halb von den Mauerresten bedeckt waren, hatten hier einen schnellen Tod gefunden, das sah der Student auf den ersten Blick.

Dann aber erblickte der Kriegsfreiwillige noch etwas anderes: ein flehendes, braunes Augenpaar, das aus einem mit zottigen Haaren bedeckten Gesicht hervorschaute und in stummer Bitte auf ihn gerichtet war. Wahrhaftig, das konnte nur jener Hund recht unbestimmter Abkunft, diese Mischung von Wolfshund, Pintscher und Bernhardiner, sein, den man vor fünf Tagen halb verhungert in einem Dorfe, an eine Hundehütte angekettet, gefunden, wieder herausgefüttert und mitgenommen hatte, eine Tat, die der mittelgroße, noch junge „Hektor“ durch eine geradezu rührende Anhänglichkeit lohnte. Das Tier, mit dem ganzen Körper zwischen Ziegeln und Balken eingeklemmt, begann jetzt leise zu winseln. Und Fritz Makull ließ diesen bescheidenen Hilferuf des treuen, vierbeinigen Gefährten der letzten Marschtage nicht unberücksichtigt. Vielleicht war Hektor nur leicht verletzt und konnte noch gerettet werden. So legte der Student denn sein Gewehr bei Seite und räumte schnell die Mauerreste, Balken und Bretterstücke fort, unter dem der Hund wie in einer Falle lag. Die Mühe war auch wirklich nicht umsonst gewesen. Hektor kroch jetzt, scheinbar ganz

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W. Belka: Die Versprengten. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1914, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Versprengten.pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)