Wer log nun, die menschlichen Sinne, das Gefühl oder die Instrumente? Das letztere war das Allerbedenklichste, dann konnte man sich nicht mehr auf sie verlassen.
„Der Bootsmann hier behauptet, er empfände nicht, daß er und alles umgedreht sei,“ sagte der dritte Offizier.
Aller Augen wandten sich auf den herbeigerufenen, alten Bootsmann, einen wirklichen Seemann, der schon ein Dutzend mal die Erde umsegelt hatte und trotz seiner weißen Haare nun auch noch den Weltenraum kennen lernen wollte.
„Ich merke nichts, ich merke gar nichts davon,“ sagte er, etwas beschämt, weil er so viele Augen auf sich gerichtet sah, „aber wenn es auch die Herren Offiziere fühlen, da muß es wohl so sein.“
„Ihr steht nicht mit den Füßen nach oben und mit dem Kopfe nach unten?“ fragte Richard.
„I wo, Kapitän, ich merke nichts davon, aber –“
„Wie fühlt Ihr Euch denn?“
„Na, gerade so wie sonst, ich stehe auf dem Boden.“
„Aber Ihr hängt doch auch an der Decke. Ich sehe Euch doch.“
„Na, davon ist mir nichts bewußt. Und der Karl weiß auch gar nicht, was die anderen wollen, wir stehen doch ebenso aufrecht wie sonst.“
Der Karl, ein junger Schlosser, wurde jetzt gerufen. Der aber kam auch schon auf Händen und Füßen, sich überall festhaltend, angekrochen.
„Herr Gott, ich hatte zu früh gelacht,“ sagte er mit kläglichem Gesicht. „Bis vor fünf Minuten stand ich noch unten, mit einem Male laufe ich die Wände hinauf, gerade wie die anderen.“
Zu den Wänden hinaufgelaufen war nun zwar niemand, aber bei allen war das Empfinden, mit dem Kopf nach unten zu hängen, so nach und nach gekommen. Und dennoch wurde konstatiert, daß hier nur eine Einbildung vorlag, freilich eine ganz unbegreifbare und eine der seltsamsten Art.
Robert Kraft: Die Weltallschiffer. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Weltallschiffer.pdf/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)