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Carl Wilhelm Otto August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Zweiter Theil, M-Z

bei ihrem Großvater, dem Landrath von Holstein, lebte, der sie allen seinen Enkeln vorzog und jeden ihrer kaum ausgesprochenen Wünsche befriedigte. Zwischen ihrer Mutter, einer trefflichen, allgemein geliebten Frau, und Fanny Tarnow fand das schönste Verhältniß statt, das man sich zwischen Mutter und Tochter nur denken kann. Jene hatte große Freude an dem Geist der Tochter und sprach gegen sie den Wunsch aus, etwas von ihr gedruckt zu lesen. Dies bewog diese, eine im Journal f. deutsche Frauen erschienene Erzählung: Alwina von Rosen, zuerst mit ihrem Vornamen zu unterzeichnen. Rochlitz, der Herausgeber, munterte die ihm unbekannte Verfasserin zu fernern Beiträgen auf, und wurde bei fortgesetztem Briefwechsel ihr ernster, strenge tadelnder und freundlich ermunternder Freund. Sie ward als Verfasserin bekannt, und die Freude der Mutter für sie Veranlassung, ihre Mußestunden mehr literarischen Arbeiten zu widmen. Zum Frühaufstehen gewöhnt, wandte sie die Zeit vor dem Frühstück zu diesen Beschäftigungen an; der ganze übrige Theil des Tages von 9 Uhr Morgens an, gehörte der Handarbeit, den häuslichen Geschäften und der geselligen Unterhaltung, da ihre Verhältnisse viel und oft in glänzend geselligen Kreisen zu erscheinen forderten.

Ein tiefer, hoffnungsloser und doch geliebter Gram führte Fanny in ihrem 24sten Jahre (im Jahr 1807) dem Grabe zu: sie glaubte sich dem Tod geweiht; und in dieser Ueberzeugung schrieb sie als Vermächtniß, nicht für Viele, sondern für Einen, ihre Natalie, ein Beitrag zur Geschichte des weiblichen Herzens.

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Carl Wilhelm Otto August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Zweiter Theil, M-Z. F. A. Brockhaus, Leipzig 1825, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_deutschen_Schriftstellerinnen_(Schindel)_II_357.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)