Seite:Die musterhafte Dame, kein Ideal.pdf/8

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Sie sagt: sie könne sich nicht mit ihnen abgeben, sie verstehe es nicht, aber oft nur deswegen, weil sie nicht will; – der Mensch hat erstaunliche Kraft zu wirken, wenn er nur will, und nicht zu träge ist.

.

 Gräfin von R – – – ist, ohne Schmeicheley und Übertreibung, Meisterin in der Erziehungskunst; sie weiß ihre Kinder mit Liebe und Sanftmuth zu leiten, wie sie will. – Beständig unter ihren Augen, können sie nicht leicht eingewurzelte Fehler und Unarten besitzen, ihr Aug ist geübt, ihr Blick scharf, sie sieht alles, die Liebe vermag sie nie zu blenden: jeden Fehler, den sie merkt, sucht sie zu bessern; sie gibt deutliche Winke, verweist mit Sanftmuth, straft, wenn es nothwendig ist, mit Liebe; sie muntert ihre Kinder auf, gut und artig zu seyn, aber sie lobt sie selten, nie wegen Sachen, welche die gütige Natur gab. Ihre Kinder sind schön; ohne daß sie es wissen. – Sie sind gut und artig, weil sie sich selbst wohl dabey befinden, nicht, um nur Lob und lächelndes Zunicken zu haschen. – Wer Verweise scheut, darf es nie wagen, ihre Kinder zu loben. – Die Kinder wissen nichts anders von ihren Ältern, als daß sie recht gut für sie sorgen, von Rang und Stand wissen sie nichts, jedes Kind wird von jedermann ohne Umschweife mit seinem Namen genannt, um nicht von Jugend auf den unerträglichen und lächerlichen Stolz auf zufälligen Stand und leere Titel einzuflößen. –

Empfohlene Zitierweise:
Anonym: Die musterhafte Dame, kein Ideal in: Journal von und für Franken, Band 5. Raw, Nürnberg 1792, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_musterhafte_Dame,_kein_Ideal.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)