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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

Die Söhne wurden von frühester Jugend an geübt die Waffen zu führen und Rosse zu bändigen. Die Frauen fochten an der Seite ihrer Männer, wenn der Feind einen Ueberfall auf ihren Grod wagte.

So war das Leben des Kosacken zu Hause und im Felde.

Werfen wir jetzt einen historischen Rückblick auf die Entstehung dieses Volkes, so finden wir, daß, als die südlichen Fürstenthümer Rußlands unter der Ueberschwemmung der Tartaren, und später der Litthauer, verschwanden, die russische Nation zwei Jahrhunderte hindurch in einer politischen Erstarrung lag, von welcher sie sich nur langsam wieder erholte.

Damals, gleichzeitig mit dem ersten Einfalle der asiatischen Horden, nahm an den südlichen Gränzen Rußlands, in den unabsehbaren Steppen, in zwischen Meerbusen, Felsen und Strömen verborgenen Schlupfwinkeln, das Volk der Kosacken seinen Ursprung.

Zwei Elemente des alten Rußlands: die Sprache und Religion, verwebten sich mit seinem Organismus, und sind bis jetzt die einzigen Zeichen der Aehnlichkeit zwischen Kosacken und Russen geblieben. Es leuchtet ein, daß bei dem seltsamen Gemisch, aus welchem das Volk entstanden war, sich alles Uebrige, wie seine Lebensweise, seine Physiognomie, seine Sitten, seine Verfassung, seine Geschichte und Poesie, auf eine ganz eigenthümliche und neue Weise entfalten mußte.

Bekannt ist, daß schon lange vor dem Einfalle der

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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/30&oldid=- (Version vom 19.12.2022)