Seite:Die preussischen Bürger des jüdischen Glaubensbekenntnisses 10.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

die die Einzelnen nicht einmal immer besitzen; nirgends bei Verhandlungen um ständische und staatliche Rechte wird auf die Entsittlichung einzelner Individuen Rücksicht genommen, nirgends wie bei unsern Verhältnissen darf das trübe Glas des Mißtrauens jeden einzelnen Fall bis auf die Weite der ganzen Nation verallgemeinern. Wir können das Dasein eines Vorurtheils gegen uns nicht leugnen, aber ohne selbst die Gründe, deren sich die Vorurtheilsvollen selbst nicht einmal mehr bewußt sind, zu prüfen, müssen wir uns gegen die Heiligsprechung dieses Vorurtheils, gegen seine Gültigkeit in legislativen Fragen die uns betreffen wehren; so wenig als die Deutschen zugeben, daß sie „träge, widrige, abentheuerliche, verlorene und knechtische Menschen“ sind, wie sie von den Holländern geschildert[1] werden, ebensowenig haben wir Lust zu den liebenswürdigen Schilderungen eines Hartmann und Ghillany unser Votum zu geben.

Wir wissen und Alle sollen es wissen, daß nirgends mehr für die Erziehung zu frommen und sittlichen Menschen von Arm und Reich gesorgt wird als bei uns, daß nirgends sich größer die Ehrfurcht und die Achtung vor dem Sittlichen und Gesetzlichen kund thut als bei uns, daß man nirgends mehr böotischen Sinn verachtet als bei uns. Ein Zug nach Bildung des Geistes, nach Befriedigung höherer Genüsse als der des Augenblickes geht durch die Juden aller Zeiten. Uberall angeschlossen an die höchsten Interessen der Wissenschaft waren sie wie sie Weltbürger waren, auch überall in den geistigen Zonen der Wissenschaft zu Hause; kein Pfad war ihnen zu schmal, kein Weg zu rauh, den sie nicht durch Stürme und Leiden auf dem Gebiete des Geistes betreten, nicht um des Amtes und des Brodes, nein um des Berufes in ihrer Brust, des Triebes ihres Geistes wegen haben sie zurückgezogen von der Außenwelt ihre Kräfte dem Geiste gewidmet. In dem großen Sclavenhause der Weltgeschichte, aus dem sie noch immer nicht den Zug der Befreiung antreten sollen, haben sie selbst sich erziehen gelernt und bedrängtem Athems und Raumes Schritt gehalten mit ihren Bedrückern. Kein Pförtchen ward ihnen umsonst geöffnet, keine Nation warf so leicht das Knechtssiegel von sich, keinem gelang es schneller auf dem ihnen

  1. 1) E. M. Arndt in der Zeitschrift für Geschichte 7. p. 54.