Seite:Die preussischen Bürger des jüdischen Glaubensbekenntnisses 15.jpg

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Sophistisches vor und wohin hat man sich verirrt, als man den Juden vorwarf, sie brauchten dem Talmud zufolge den Christen sich nicht als Brüder gegenüber zu stellen und sie nicht als solche, den Staat nicht als solchen zu achten, wenn man an die Analoga dachte, die die Weltgeschichte sonst bietet. Warum kann der Katholik heut ein Bruder und Freund des Protestanten sein? haereticis non est servanda fides; warum kann der Protestant in katholischen Landen leben? Ist der Papst nicht der Antichrist? Warum ist dem Katholiken Glauben und Ehre ertheilt, giebt ihm sein Priester nicht Absolution? Wenn der Katholik das religiöse Dogma in seinen Kirchenvätern verehrt, übt er gegen den Ketzer das, was sie ihm heißen? Die Wahrheit und die Sittlichkeit sind ewige Güter,

Nicht von heut’ und gestern, sondern immer schon
Lebten sie und Niemand weiß, von wannen sie erschienen.
 (Sophokles Antigone.)

Zu allen Zeiten hat man sie verehrt und geübt und an sie drang kein sophistischer Gedanke. Der Schuft ist das was er ist auch ohne canonische Schwindelei. Den ehrlichen Mann berückt auch keine mögliche Absolution. Verschiedene Gebräuche giebt es und wir werden sie wenigstens so achten (ne alienos mores ad nostros referamus) wie Nepos es schon verlangt, aber verschiedene Sitten und Wahrheitsgesetze hat es nie gegeben.

Soll ich noch die Schicksale berühren, die unsere Literatur betroffen? Es ist wirklich für die geistigen Capacitäten, die über diese sich Urtheil erlauben, keine Schmeichelei, wenn man voraussetzt, sie kennen Leopold Zunz’s Schriften noch nicht. Aber die Unkenntniß von Allem hat sich an allen gerächt, die mit ihren geistigen Bestrebungen in ihre Nähe kamen; es wird ein interessantes Spicilegium von Lächerlichkeiten geben, die sich Poeten und Gelehrte in jüdischen Dingen zu Schuld kommen ließen.

Wir wollen kein Register von sittlichen Äußerungen die Juden thaten, hier zusammenstellen, auch nicht wie früher in wohlmeinender Art geschah, Erzählungen von tugendhaften Juden einflechten; wir halten das alles für unser unwürdig.