Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/183

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die zehnte Muse

50
Sehr fühlbar und genau bezirklich,

Für mich ist er ein wahrer Schatz.
Doch räum’ ich dir sogleich den Platz,
Wenn du gestehst, dass du geirrt
Und deine Lehre nur verwirrt.

55
Nein – rief mit zornigem Gesicht

Der Lehrer – nein, das thu’ ich nicht!
Was meine höh’re Einsicht fand,
Weicht nicht dem platten Volksverstand.

Der Schüler sprach: Ich warne dich,

60
Leicht wirst du deines Irrwahns Beute! –


Der Lehrer starb am Sonnenstich,
Der munt’re Schüler lebt noch heute

.

Friedr. Bodenstedt.






Theosophie.

Ich denke Gott mir, sprach die Mücke,
Vieltausendmal so gross als mich;
In ew’gem Glanz, in ew’gem Glücke
Susurrend tanzt und sonnt er sich.

5
Kein Spinngewebe droht ihm Haft;

Selbst Meister Spatz hat mind’re Kraft.
Ich bin – sagt meine Bibel – nur
Sein Ebenbild in Miniatur.

O Blasphemie! sprach da die Katze:

10
Gott-Vater ist wie tausend Leu’n

Mit Stahlgebiss und Eisentatze,
Und maut er, schallt’s wie Sturmesdräun;
Selbst wenn er selig ruhend schnurrt,
Erdröhnt’s, wie wenn der Donner murrt.

15
Ich bin – sagt meine Bibel – nur

Sein Ebenbild in Miniatur.

O Blasphemie! sprach da der Weise,
Der Denker Mensch: die Hand des Herrn
Hält liebend alle Welt im Gleise,

20
Sie führt den Wurm und lenkt den Stern.

Wie ich als Kinderstubenheld
Treibt er’s im Grossen in der Welt.
Ich bin – sagt meine Bibel – nur
Sein Ebenbild in Miniatur.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/183&oldid=- (Version vom 31.7.2018)