Seite:Dillenius Weinsberg 108.png

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Schon waren auch am dreifachen unteren Thore der Stadt die 2 äußeren Thore von den Bauern eingehauen. Das und der Fall des Schlosses schlug den Muth der Bürger nieder. Es waren ohnedieß nicht alle Bürger von Anfang an in der Vertheidigung so eifrig gewesen, sondern nur „die Ehrbarkeit“, nur die am unteren und oberen Thore. An der nördlichen Seite der Stadt, bei dem kleinen Thor an der Kirche, wo Dionysius Schmid von Schwabbach den Sturm anlief, wehrten sich die Bürger gar nicht. Hier arbeiteten die Freunde Jäcklins und Schmids, namentlich Adam Franz, Wendel Hofmann, Melchior Becker, Jörg Schneiderhänslein und Jörg Ry den Bauern in die Hände. Einer hieb innen am Pförtlein, Einer von außen, um es aufzuhauen.

Jetzt, bei der furchtbar anschwellenden Gefahr, als die Sturmblöcke und Balken, die Hämmer und Äxte schon am letzten, innersten Thore des Unterthores schmetterten, entsank auch den ehrbaren, den ergebensten Bürgern der Wille des Widerstandes. Es war umsonst, daß Dietrich von Weiler noch immer in der Stadt herumritt und die Bürger und Reisigen, die zum Theil schon die Wehren verließen, zu unausgesetzter Gegenwehr aufrief. Zugleich umringte den Grafen ein Haufen Weiber, welche schrieen und flehten, es doch nicht auf’s Äußerste kommen zu lassen, da ihnen bei längerer und doch nutzloser Gegenwehr mit Mord und Brand gedroht werde. Diese Drohung Jäckleins hatte furchtbaren Eindruck auf die Einwohner gemacht; und während die Ritter noch immer zum Widerstand riefen, beharrten die Bürger auf Übergabe „gegen Sicherheit für Leib und Leben“. Die Bürger entzweiten sich mit den Reitern und der gemeine Mann fing an, die Herren mit Gewalt von den Wehren und Mauern herabzuziehen. Dieß geschah namentlich gegen Hanns Dietrich von Westerstetten, der mit dem Hauptmann Heßlich und dem Amtsknecht von Bottwar die Mauer wieder erstiegen und gerade von dort einen Bauern erschossen hatte. Die Bürger drohten ihm mit dem Tode, wenn er nicht herabginge.

Der Graf sah nun selbst die Unmöglichkeit ein, sich zu halten. „Ihr habt euch wohl gehalten, ihr Weinsberger! und den Bauern genug gethan; das will ich euch vor Gott und der Welt bezeugen!“ rief der Helfensteiner und gab es zu, daß Einer der Bürger, der Schwabhannes, mit dem Hut auf einer Stange den Bauern über eine Zinne des Unterthors hinaus Friede zurief und das Anerbieten machte, ihnen, wenn sie Alles am Leben ließen, die Stadt zu übergeben. Auch der Priester Franz und noch Mehrere schrieen: Friede! Friede! zu den Bauern hinaus. Diese aber schoßen dem Schwabhannes den Hut von der Stange herab und riefen hinauf: die Bürger sollen beim Leben bleiben; die Reiter aber müssen Alle sterben. Graf Helfenstein stand daneben, als Schwabhannes wenigstens um eine Ausnahme für den Grafen bat und mußte mit eigenen Ohren die Antwort hören: daß er sterben müsse, wenn er auch von Gold wäre.

Jetzt faßte der Graf, dem es zu grauen anfing, den Entschluß zur Flucht. Er wollte noch einmal die Bürger zu kurzem Widerstand aufmahnen, um während desselben zum oberen Thore auszubrechen. Er theilte diesen Entschluß etlichen Bürgern, die ihm vertraut waren, mit und bat sie, ihm und seinen Reitern zum Thore hinauszuhelfen. Aber auch hier fanden sie die Wehren und das Thorhaus meist von den Bürgern schon verlassen. Nur wenn die Bürger ihn von der Mauer aus kräftig unterstützten, war es möglich, sich zum Thore hinaus durchzuschlagen; denn bereits war auch das obere Thor von den Bauern angerannt. „Wo sind meine frommen Bürger?“ rief der Graf verzweifelnd. Aber sein Ruf