Seite:Dillenius Weinsberg 109.png

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wurde übertäubt durch das Jammergeschrei der Weiber, die zu Eröffnung des Thores bereits die Schlüssel in den Händen hatten und von dem Geschrei der Bürger, welche die Besatzung nicht entfliehen lassen wollten. Als sie die Ritter und Reisigen sich auf ihre, auf dem Markt bereit stehenden Pferde schwingen sahen, schrieen sie, die es nicht mit den Bauern hielten, in der Angst vor den Stürmenden den Rittern zu: „wollt ihr uns allein in der Brühe stecken lassen?“ Andere schrieen unter Verwünschungen: „durch sie seie die Stadt in’s Unglück gekommen; zum Entfliehen sei es jetzt keine Zeit.“

Die Uhr war wirklich auch abgelaufen; von 4 Seiten zumal ergoß sich der Strom der Bauern in die Stadt. Zuerst sprang das Pförtlein bei der Kirche auf; hier stürzte im Gedräng Dionysius Schmid und ein Schwarm, der vom Schloß herab kam, in die Stadt herein. Auf einer anderen Seite, beim Spital, half ein Spitalpfründner, Hans Mösling, „ein einfältiger Mensch,“ einem Bauern über die Stadtmauer herein und diesem stiegen die Anderen nach. Mit wüthendem Mordgeschrei wälzte sich die Hauptmasse der Bauern durch das von ihnen vollends eingehauene untere Stadtthor gerade in dem Augenblicke, als sich die Reisigen auf ihre Rosse geschwungen hatten. Man hörte das Geschrei an die Bürger: „geht in eure Häuser mit Weib und Kind, so soll Euch Nichts widerfahren!“

Die Bürger flohen in ihre Wohnungen und schloßen Thüren und Läden. Jäckleins Haufe aber schrie nach dem Grafen und den Rittern, man müsse sie durch die Spieße jagen.

Während dessen drangen die Bauern auch vollends zum oberen Thore herein. Es bleibt nach den Zeugenaussagen ungewiß, ob sie es selbst sprengten, oder ob die Bürger es ihnen öffneten.

Alle Ritter und Reisige suchten die höher gelegene Kirche und den Kirchhof zu erreichen, um sich hier noch ihres Lebens zu wehren, oder sich im Inneren der Kirche zu retten. Auch der Graf flüchtete sich dahin. Ein Priester zeigte ihm und mehreren Rittern eine Schneckenstiege in der Kirche, durch die sie auf den Kirchthurm kommen und sich vielleicht dort noch vor ihren Feinden retten möchten. Etwa 18 Ritter und Knechte flüchteten sich durch diese Schneckenstiege auf den Thurm.

Die Blutdürstigsten unter den Bauern waren die Böckinger (unter Jäcklein), die vom Weinsberger Thal und einige aus der Stadt, wovon 5 schon in Lichtenstern zu den Bauern gefallen, 3 derselben mit nach Weinsberg gekommen und bei Erstürmung der Stadt und des Schlosses thätig gewesen waren. Auf dem Schlosse hatte Einer von Öhringen 5 Reiter niedergestoßen. Clemens Pfeiffer von Weinsberg, der vom Schloß herabgekommen war, rief: „ich habe den Burgpfaffen Wolf erstochen; hätte ich den Claus Müller von Weinsberg, ich wollte ihn gleich erstechen.“

Auf dem Kirchhof wurden Sebastian von Ow, Eberhard Sturmfeder und Rudolph von Eltershofen ereilt; sie fielen sogleich unter den Streichen und Stößen der Bauern. Wen diese mit Waffen auf dem Platz fanden, der ward erstochen oder erschlagen. Selbst aus den Bürgern kamen während des Sturms und jetzt im Gedränge des ersten Hereinbruchs 18 um; in die 40 wurden verwundet. Die verschlossene Kirchthüre wurde aufgesprengt; alle Reisigen, die sich im Schiff der Kirche versteckt hatten, wurden erstochen. Einige hatten sich in die Gruft verborgen; die Bauern erbrachen die Gruft und erschlugen die Aufgefundenen. Nun entdeckten sie auch die Schneckenstiege. Ein wildes Freudengeschrei erscholl: „hier haben wir das ganze Nest beisammen; schlaget sie Alle todt!“ Alle wollten sich zugleich