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der Phantasie neue und schöne Eindrücke aufzunehmen, ist das einzige Temperament, das ein Kunstwerk würdigen kann. Und wenn dies für den Fall der Würdigung der Skulptur und Malerei gilt, so gilt es noch mehr für die Würdigung solcher Künste wie das Drama. Denn ein Gemälde oder eine Statue liegen nicht in Krieg mit der Zeit. Das Nacheinander der Zeit spielt bei ihnen keine Rolle. In einem Moment kann ihre Einheit erfasst werden. Mit der Literatur steht es anders. Es ist Zeit erforderlich, bevor die Einheit der Wirkung erreicht ist. Und so kann im Drama im ersten Akt des Stückes etwas vorfallen, dessen wahre künstlerische Bedeutung dem Zuschauer erst im dritten oder vierten Akt aufgeht. Soll da der alberne Kerl ärgerlich werden und schimpfen und das Stück stören und die Künstler belästigen? Nein. Der ehrenwerte Mann soll ruhig sitzen und die köstlichen Gefühle des Staunens, der Erwartung und der Spannung in sich erfahren. Er soll nicht ins Theater gehen, um seine triviale Laune zu verderben. Er soll ins Theater gehen, um

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Oscar Wilde: Drei Essays. Karl Schnabel, Berlin 1904, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Drei_Essays_Oscar_Wilde.pdf/79&oldid=- (Version vom 31.7.2018)